Nachfolgend stellen wir den aktuellen Stand der Forschung zum Thema menschlichen Entscheidungsfindung dar. Weil alle Theorie grau ist, haben wir ihr einen blauen Praxisteil hinzugefügt. Inhaltlich geht es uns weniger um 100% wissenschaftliche Korrektheit (dafür gibt es Studien) als mehr um ein leicht verständliches Beispiel für unsere Zielgruppe.
Theorie
Eine Entscheidung wird notwendig, wenn ein Mensch oder eine Maschine vor mindestens zwei Handlungsalternativen steht.
Die Bewertung durch Menschen erfolgt dabei mit einiger Sicherheit in zwei verschiedenen Gehirnarealen1,2. Wir sprechen oft von Kopfentscheidungen oder Bauchentscheidungen.
Gemeinsam haben sie, dass es zunächst darum geht, die optimale Entscheidung zu definieren. Mit dieser optimalen Entscheidung könnte ein zuvor definiertes Ziel am besten erreicht werden.
Eine besondere Herausforderung sind also Zielkonflikte.
Bekannt ist, dass es “Bauchentscheidungen” ohne offensichtliche Beteiligung des Kopfes gibt. Diese sind sehr schnell, quasi wie ferngesteuert.
Es wird vermutet, dass der Bauch 100 Mal mehr Informationen in der gleichen Zeit verarbeiten kann als der Kopf.
Dafür hat er ein paar wesentliche Limitierungen. Er ist auf Erfahrungen beschränkt. Also auf dass was unser Gehirn als Belohnung oder Bestrafung für Handlungen der Vergangenheit gespeichert hat.
Dieser Speichervorgang ist vor allem über die Zeit nicht objektiv.
Auch spielt die Optik eine sehr große Rolle. Wir assoziieren z.B. mit Farben bestimmte Dinge.
Stärker als Belohnungen wirken in der Regel noch Verlustängste. Dabei spielt die Formulierung eine große Rolle (Framing3)
Außerdem gibt es das Problem der kognitiven Verzerrung4 (cognitive bias). Es handelt sich um systematische fehlerhafte Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken und Urteilen.
Bestätigungsfehler (confirmation bias) nennt man die Situation, wenn Menschen intuitiv nach Bestätigung für ihre Position suchen. Dabei werden regelmäßig Informationen die eigene Positionen bestätigen höher bewertet, als jene die das Gegenteil belegen.
Der Backfire-Effekt beschreibt die Tatsache, dass wir bei Positionen, die emotional verankert sind, sogar offensichtliche Fakten ignorieren.
Möglicherweise schützen wir uns so davor, wesentliche Elemente unserer Existenz in Frage zu stellen.
Attributionsfehler (correspondence bias) nennt man den Fehler, Beurteilungen nicht in nicht in Relation zu Umgebungsvariablen zu setzen.
Überzeugungsverzerrung (believe bias) beschreibt den Fehler zwei starke Argumente ungeprüft zu einer Schlussfolgerung zu verbinden.
Unser Kopf neigt außerdem dazu bestimmte Risiken irrational überzubewerten.
Praxis
Hunger. Schokolade essen oder auf das Mittagessen warten?
Kopfentscheidung: Es gibt gleich gesundes Essen.
Bauchentscheidung: Schokolade geht schneller, will jetzt etwas.
Optimum 1: schnell Zucker zuzuführen Ziel 1: wieder leistungsfähig sein
Optimum 2: gesund ernähren
Ziel 2: gesund bleiben
Konflikt zwischen schneller Leistungsfähigkeit und Gesundheit.
Zu spät. Befehl an Arm und Hand “Schokolade in den Mund” ist umgesetzt, bevor der Kopf reagieren konnte.
Eine Motte auf der Schokolade wird den Vorgang sofort unterbrechen. Ungeziefer im Essen ist negativ belegt, das Muster eines Insekten wird sofort erkannt.
Belohnung erkannt: Schokolade schmeckt gut. Keine Motte darauf zu sehen. Keine Strafen für zu viel Schokolade bekannt.
Werbung zu ein anderen Schokoladenart: Die hat jetzt weniger Zucker. Diese auch gut.
Grün wird mit Schimmel in Verbindung gebracht. Grüne Schokolade eher nicht gekauft.
“Wenn Du so viel Schokolade isst, wirst Du krank!” hat einen größeren Einfluss als “Wenn Du die Schokolade weglässt bleibst Du gesund”.
Vermutlich dienen diese Verzerrungen der Vereinfachung zur Entlastung des Gehirns und Beschleunigung von Vorgängen wie beispielsweise Fluchtreflexen.
Die Aussage von Menschen, dass sie Schokolade glücklich macht, wird höher bewertet, als die Information von Wissenschaftlern, dass es dafür keinen echten Beweis gibt und sie außerdem ungesund ist.
Das Beispiel oben wird noch verstärkt, wenn die Person glaubt Schokolade hätte ihr bei der Überwindung einer Depression geholfen.
Selbst die Androhung eines Arztes auf einen einsetzenden Diabetes könnte ohne Effekt bleiben.
Zwei Meetingteilnehmer sollen nach einem Meeting bezüglich ihrer Kompetenz beurteilt werden. Teilnehmer A hatte keine Vorbereitungszeit, Teilnehmer B einen Tag. Der Teilnehmer mit der größeren Vorbereitungszeit wird in der Regel auch dann als kompetenter engeschätzt, wenn den Beurteilenden der Fakt der unterschiedlichen Vorbereitungszeit bekannt ist.
Satz 1: Frauen haben häufiger Migräne als Männer. Satz 2: Frauen essen mehr Schokolade als Männer.
Fazit: Frauen essen mehr Schokolade, um damit ihre Migräne zu bekämpfen. Oder weil sie schmeckt?
Die Angst vor Haien im Meer gebissen oder vom Blitz getroffen zu werden, ist viel größer als die vor einem Verkehrsunfall. Dabei ist letzteres erheblich wahrscheinlicher.
Ergebnis
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Effekte. Sie alle sprechen dafür zumindest zu versuchen, Entscheidungen zu objektivieren. Eine Ausnahme sind Entscheidungen in Unsicherheit. Mehr dazu ein einem späteren Dokument.
3 Framing